Die üblen Tricks der Tierfotografen! :-(

Dienstag, 5.November 2013

Die Wahrheit über dieses berühmte Tierfoto

Eine Raubkatze kämpft mit einem Pavian. Das Foto von dem Angriff wurde weltbekannt – und war komplett gestellt. Nun packt auch ein BBC-Mitarbeiter über die Methoden für sensationelle Aufnahmen aus. 

Der schöne Schein der Wildnis

Foto: Getty Images

„Ich kannte mich nicht großartig aus mit Raubkatzen“: Wie der Fotograf zu diesem Bild kam, hat er erst Jahre später erzählt. Die Szene war gestellt, und zwar nicht nur einmal.

Dreißig Jahre danach sagt John Dominis, wie es wirklich war, die Wahrheit. Es ist eine Wahrheit, die eine entsetzliche, blutige Geschichte hervorbringt, aus den 60er-Jahren: wie eines der berühmtesten Bilder der Tierfotografie zustande kam.

Dieses Foto eines Pavians, der kurz vor dem Tod sein Leben noch einmal rettet für nur wenige Sekunden, mit einer verzweifelten Geste – dieses Foto mit einem Leoparden, der aus Überraschung den tödlichen Angriff abbricht, nur einen halben Meter vorm Ziel, dieses Foto war inszeniert.

Es war in Wahrheit nicht der Leopard, für den der Pavian sein Leben ließ. Es war dieses Foto. Den tödlichen Augenblick hatte ein Fotograf fast schon wie einen Laborversuch aufgebaut: von links der Leopard, von rechts der Pavian. In der Mitte der Tod vor der Linse.

Es gibt, unveröffentlicht, auch ein zweites Foto, das Foto nach dem Foto. Darauf ist das zerfleischte Tier kaum noch als Pavian zu erkennen. Zahllose Anläufe habe es gekostet, sagt Dominis, bis das sensationelle Bild im Kasten war. Das abgelichtete Tier starb nicht allein. Mehrere Dutzend Paviane ließen ihr Leben.

„Mein Chef wollte das Foto nun einmal haben“

„Ich kannte mich nicht großartig aus mit Raubkatzen“, sagt John Dominis 30 Jahre nach der Aufnahme in einem Interview der „New York Times“, „aber mein Chef, ein Mann von der Naturabteilung des ‚Time Life‘-Magazins, wollte die Fotos nun einmal haben“.

Damals hatte Dominis schon ein paar blutige Attacken abgelichtet, aber so richtig war noch nichts dabei gewesen. „Den Leoparden hatte ein Großwildjäger aus Botswana für uns beschafft.“ Ein Zoo in den USA hatte ihn bestellt.

Vor der Auslieferung „steckte er den Leoparden hinten in den Truck, und wir fuhren noch einmal raus in die Wüste, zu einer Herde Paviane.“ Der Mann sollte den Leoparden freilassen, die Paviane würden dann wild durcheinanderrennen, die Bäume hinauf, sich retten, und der Leopard würde in der Zwischenzeit alles daransetzen, einen zu reißen.

Dominis wollte ein Bild mit einem Leoparden. Die Paviane waren egal. „Ich fotografierte das alles wieder und wieder“, sagte Dominis. „Aber dann geschah etwas Unerwartetes. Aus irgendeinem Grund lief einer der Paviane nicht weg. Er drehte sich um zu dem Leoparden und ging auf ihn los.“ Und dann? „Der Leopard tötete ihn. Ich drückte den Auslöser.“

Ein Tier opfern, um ein anderes zu fotografieren

Ein Tier zu opfern, um ein anderes zu fotografieren, war in den 60er- und 70er-Jahren gang und gäbe. Inzwischen ist es verboten. „Die Kollegen halten sich daran“, sagt Robert Friel, vielfach ausgezeichneter, britischer Wildlife-Fotograf. Dann ein Nachsatz: „Die meisten jedenfalls.“

Die Bilder sind nicht mehr so blutig. Sensationell sind sie immer noch – und oft unter ähnlich dubiosen Umständen entstanden. Es sind harmlose Bilder, rührende Bilder. Lustiger, spektakulärer als je zuvor.

Das Motiv, das Tierfotografen zu Täuschung, Schummelei und manchmal auch zur Skrupellosigkeit verführt, ist nachvollziehbar: Ein Film über die wilde Natur auf einer russischen Halbinsel kommt zuverlässig auf mehr Zuschauer und freundlichere Quoten als die Geiseldrama-Dokumentation der Konkurrenz.

Das beflügelt die Kreativität der Fotografen, Märchen zu erzählen, aus der Wüste, den Weltmeeren, dem ewigen Eis.

Fälscht auch die britische BBC?

Sogar der renommierten BBC, weltweit führend bei Naturfilmen, ist die gewöhnliche Fauna offenbar zu wenig spektakulär: „Die BBC fälscht und inszeniert ihre Wildtier-Aufnahmen, was das Zeug hält“, behauptete einer der renommiertesten Tierfilmer der Welt vor wenigen Tagen auf einem britischen Literaturfestival.

Doug Allan ist Kameramann und gerade in Europa unterwegs – mit seinem prächtigen Bildband, der Titel: „Freeze Frame: A Wildlife Cameraman’s Adventures on Ice“. Darin enthalten sind nicht nur spektakuläre Bilder von eisigen Wüsten von beiden Polen der Welt.

Nebenbei enthüllt Allan offenherzig bis rufschädigend die Tricks der Kollegen. So seien alle Aufnahmen von Tieren „mit der Körpergröße kleiner als ein Kaninchen“ nicht unter natürlichen Bedingungen entstanden.

Solche Szenen, etwa mit Springmäusen, Hamstern oder Maulwürfen, seien niemals Bilder aus der Natur, sondern am Set gedreht, mit nachgebauten Kulissen, mit einer Studio-Natur. Es geht nicht anders.

Wenn der Eisbär nicht am Nordpol gefilmt wird

Die BBC hat inzwischen Täuschungen eingestanden – bei Tieren weit über dem Karnickelmaß hinaus. Im Dokumentarfilm „Unsere Erde“ bringt eine Eisbärin zwei Junge zur Welt. In einer Höhle, tief im Schnee.

Die Eisbären sind echt, die Geburt auch. Der Schnee ist künstlich – gedreht wurde in einem niederländischen Zoo. „Die BBC hat dazu zwar ein Video veröffentlicht“, sagt Allan, „aber das hat keiner mitgekriegt.“

Die Produzenten sollten von Anfang an öffentlich über ihr Making-of reden, sagt Allen. Es schade ihrer Arbeit nicht – und niemand fühle sich hintergangen.

Dass auch im Disney-Dokumentarfilm von Alastair Fothergill Trickserei mit im Spiel war, kam durch Zufall ans Licht: Der Film „Schimpansen“ zeigt das Leben eines adoptierten Affenjungen im Urwald.

Eine wahre Geschichte, ein Drama in unberührter Natur. Kurz bevor der Film im Mai in die Kinos kam, stellte ein beteiligter Max-Planck-Forscher arglos klar: Die eher gefühlig-menschelnde Geschichte sei weitgehend erfunden. Das Waisenkind sei in Wahrheit eine Figur, dargestellt von „fünf verschiedenen Schimpansen“.

Eidechsen im Kühlschrank

„Ich glaube nur noch wenig, was ich auf Bildern sehe“, sagt der niederländische Zoologe Frans de Waal. Woher kommen seine Zweifel? Er hatte beobachtet, wie Fotografen „Eidechsen in einen Kühlschrank setzten, um mit dem unterkühlten Tier danach zu einem guten Schuss zu kommen“.

Eine kalte Eidechse bewegt sich nicht, ein gekühlter Frosch auch nicht – daher auch die phlegmatische Engelsgeduld des nach Kermit vermutlich berühmtesten Froschs der Welt: „Jetzt bloß keinen Mucks von sich geben!“, heißt das bekannteste Foto aus einer jüngsten Bilder-Serie bewegungslos kauernder Frösche.

Die Bilder, entstanden in Indonesien, gingen kürzlich millionenfach um die Welt, sie verfolgen den Weg einer Schnecke, die einen Frosch überquert. Der soll davon nichts mitgekriegt haben, weil er eingeschlafen sei.

Acht Minuten lang schleimte sie über die feuchte Warzenhaut, schreibt der Fotograf. Dieses Tempo, sagen Biologen, sei für eine Schnecke auffallend zäh.

Das Durchschnitts-Schneckentempo liegt bei drei Metern pro Stunde. Irritierend auch: Schnecken gehören zu den Beutetieren von Fröschen. Der stoische Fotofrosch fand offenbar nichts dabei, dass eine Delikatesse über sein Maul kriecht.

Fotograf Lessy Sebastian will die Szene durch Zufall beobachtet haben: „Der Teich befindet sich in der Nähe meines Gartens. Kaum zu glauben, dass der Frosch nicht aufgewacht ist.“ In der Tat.

Was sich mit Batteriesäure alles so machen lässt

Mit bester Sicherheit hat zwischen Sebastians Teich und dem Foto ein Kühlfach eine entscheidende Rolle gespielt. Ein ebenso verbreitetes und bewährtes Rezept ist Batteriesäure. Die macht nicht reglos, sondern agil – lässt etwa Fische spektakulär zappeln. Äußerlich anzuwenden, am wirkungsvollsten auf den Flossen.

Verkürzte Geduldsproben auch für Filmer, die keine Lust haben, sich monatelang unwirtlichen Bedingungen auszusetzen. Seltene und scheue Tiere gibt es zu mieten.

Games Farms in den USA halten vom Aussterben bedrohte Tiere wie Schneeleoparden bereit: für 350 Dollar pro Foto-Session. Die Farm liegt in den Rocky Mountains. Das passt ins Bild. Erfahrene Fotografen erkennen das mit einem Blick.

Die Tiere sähen „irgendwie schamponiert“ aus. Einem spanischen Fotografen wurde 2011 der Titel „Wildlife Photographer of the Year“ entzogen.

Der Mann hatte sich angeblich in einer Mondnacht auf die Lauer gelegt – und in einer spanischen Einöde einen Wolf erwischt, im turnierreifen Flug übers Gatter. Die Wahrheit: Der wilde Wolf war stadtbekannt. Er stammte aus einem Zoo bei Madrid.

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